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Bretagne

Erlebnis Kunst und Kultur

Der bildhauernde Geistliche

In Rothéneuf, einem Ortsteil von Saint-Malo, findet sich an der Felsenküste ein wahrhaftiges Bilderbuch. In jahrelanger Arbeit hat dort ein 1910 verstorbener Pfarrer aus dem Granit Figuren geschlagen: dämonische Fratzen, Piraten und Mordgesellen mit schiefen Mündern, auch eine unschöne häusliche Szene, bei der ein tobender Ehemann seine Frau an den Haaren zerrt und ihr einen Tritt in den Hintern verpasst. Knapp 300 Figuren sind auf 500 Quadratmeter Felsen verteilt.

Die Mauer der verschollenen Islandfischer

In Ploubazlanec, einem Örtchen nördlich von Paimpol, erinnert am Friedhof eine Mauer an die verschollenen Islandfischer. Die Grande Pêche vor den Küsten Islands und Neufundlands war im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert ein wichtiger Erwerbszweig in Paimpol. Die Fahrten waren entbehrungsreich und gefährlich. Rund 100 Schiffe versanken in den eisigen Fluten, mehr als 2000 verschollene Fischer zählte man über all die Jahre. Viele sind an der Mauer namentlich aufgelistet, als Jüngster ein 12-Jähriger.

Der christianisierte Menhir

Obelix band eine rosafarbene Schleife um einen Hinkelstein und schenkte diesen seiner Angebetenen. Wozu die Menhire sonst noch gut waren, ist noch nicht ausgedeutet. Den Christen jedenfalls waren die heidnischen Steine ein Dorn im Auge, und so meißelten sie gelegentlich aus der Spitze eines Menhirs ein Kreuz heraus, um die Überlegenheit ihrer Religion zu demonstrieren. Ein eindrückliches Beispiel einer solchen Kulturschändung ist der Menhir von St-Uzec.

Ein gottgefälliger Narr macht Karriere

Mitten im Wald bei Le Folgoët lebte im 14. Jahrhundert ein elternloser, geistig wohl zurückgebliebener Mann namens Salaün – ein harmloser Bursche, der sich für das Brot, das man ihm zusteckte, stets artig mit O itron guerhet Mari (Gegrüßt seist Du, erhabene Maria) bedankte. Einen anderen Satz hörte man zeitlebens nicht aus seinem Mund. Nachdem man ihn zu Grabe getragen hatte, wuchs aus diesem bald eine wunderschöne Lilie mit der goldenen Aufschrift Ave Maria – Grund genug, hier eine Kirche mit den Ausmaßen einer Kathedrale zu bauen. Heute gehört der Grand Pardon de Notre-Dame-de-Folgoët am ersten Septembersonntag mit rund 20.000 Pilgern zu den großen Wallfahrten der Bretagne.

Harmonie in Stein

Kein spektakulärer Calvaire, wie man ihn auf der klassischen Calvaire-Tour zu sehen bekommt, sondern ein schlichter umfriedeter Pfarrbezirk, ein Beinhaus und eine Quelle, die verschiedene Becken speist. Das äußerst gelungene harmonische Calvaire-Ensemble aus Granit steht im Dörfchen Le Grouanec.

Der Turm auf dem Kopf

Mémé fait sa coiffe (Oma macht ihre Haube). In einem Dokumentarfilm zeigt eine alte Dame, wie die bis zu 33 Zentimeter hohe Bigoudenhaube gebaut wird – gar nicht so einfach, und das jeden Morgen. Der Kurzfilm ist Teil der neuen Dauerausstellung im Musée Bigouden von Pont-L’Abbé, das die Welt der Bigoudenfrau zeigt und wie sie in den 1960er Jahren aus der dunklen Bauernstube in die blütenweiße Resopal-Küche umgezogen ist.

Auf der Suche nach dem Gral

Was hat der Gral in einer christlichen Kirche zu suchen? Henri Gillard, Mitte des letzten Jahrhunderts Dorfpfarrer von Tréhorenteuc, hatte ein Faible für die Artus-Legende. Bei der Erneuerung der Kirchenfenster 1945 wünschte er sich ein Zusammenspiel von keltischen und christlichen Motiven. Die beauftragten Künstler lösten die Aufgabe mit Bravour, bei den Kirchenoberen sorgten die neuen bunten Glasfenster jedoch für Unmut. Späte Anerkennung: 20 Jahre nach dem Tod des kunstsinnigen Pfarrers wurde seine Statue vor der Kirche enthüllt.

Die entschärfte Venus

Eine Venus-Statue aus römischer Zeit brachte im 17. Jahrhundert den Bischof von Vannes auf die Palme. Seit Generationen schon hatten Frauen aus der Umgebung in der Hoffnung, endlich schwanger zu werden, ihren Körper an der Statue gerieben, schließlich ist die Venus ein Symbol der Fruchtbarkeit. Dann wurde dem Bischof das Treiben zu bunt, er ließ die Figur kurzerhand in den nahen Fluss werfen – wo sie natürlich wieder herausgefischt wurde. Schließlich wurden Steinmetze beauftragt, die nackte Venus mit dem Meißel zu bearbeiten und sie notdürftig einzukleiden. Die nun entschärfte Venus ist heute in der Nähe des Örtchens Quinipily zu sehen.

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