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Venedig

Orientiert in Venedig

Zwischen Wasser und Land

Nicht ohne Staunen blickte Goethe auf die Venezianer, die sich im Lauf der Jahrhunderte als überaus einfallsreich und zielstrebig erwiesen haben, um der Lagune Meter um Meter Baugrund abzutrotzen. Venedig steht heute auf rund 120 aufwendig befestigten Inseln. 439 Brücken verbinden die Inseln miteinander und spannen sich über 178 Kanäle. Ein vorzügliches Labyrinth aus unzähligen engen Gassen und 49 weitverzweigten Kilometern Wasserweg. „Eine Biberstadt“ urteilt nochmal Goethe, etwas despektierlich, aber nicht unzutreffend.

Eine Piazza ...

In Venedig gibt es lediglich eine einzige Piazza, und die ist weltberühmt, einzigartig, atemberaubend. Die Piazza San Marco mit der Basilica di San Marco in byzantinischer Pracht, dem überwältigenden Dogenpalast und dem gewaltigen Campanile, den weiten Prokuratien und dem eleganten Uhrturm ist in ihrer Gesamtheit formvollendet. Ihr zur Seite gesellen sich die Piazzetta dei Leoncini mit den niedergestreichelten Löwen aus rotem Marmor und La Piazzetta San Marco, mit der sich der Markusplatz in aller Herrlichkeit zum Bacino di San Marco, zum Markusbecken hin öffnet. Alle anderen Plätze der Stadt müssen sich damit begnügen, Campo, Campiello oder Corte genannt zu werden.

... ein Canal ...

Wie es in Venedig nur eine „Piazza“ gibt, so gibt es nur einen „Canal“: Den weit geschwungenen Wasserboulevard Canal Grande, gesäumt von vielgestaltigen Palazzi, überwältigend in seiner Pracht und auch Canalazzo genannt. Die anderen großen Wasserwege heißen Canale, die kleinen städtischen Kanäle Rio (Plural Rii).

... und sechs Sechstel

In Venedig gibt es im engen Wortsinn keine Stadtviertel, quartieri, sondern sestieri, (Stadt-)Sechstel. Der s-förmig geschwungene Canal Grande teilt die Lagunenstadt: Rechts davon liegen Cannaregio, San Marco und Castello, links Santa Croce, San Polo sowie Dorsoduro.

San Marco mit der Piazza San Marco war einst die weltberühmte Machtzentrale der „Durchlauchtigsten“ (Serenissima) und zeigt sich heute gleichermaßen unfassbar schön und unerträglich stressig, absolut einzigartig und völlig überlaufen, ein wundervolles „Must-See“ und „No-Go“ zugleich. Doch auch im Sestiere San Marco entdeckt man ruhige und beschauliche Ecken; je weiter weg von der Piazza, umso besser.

Castello dagegen war einst ein traditionelles Arbeiterviertel, denn hier befindet sich das Arsenale. In der legendären Werft liefen die Galeeren vom Stapel, die Venedigs Macht die nötige Schlagkraft verliehen. Heute allerdings ist Castello ein gespaltenes „Sechstel“: Vom Markusplatz strahlt der Rummel hektisch in den Stadtteil hinein, je weiter man sich davon entfernt, desto ruhiger und volkstümlicher wird es.

Cannaregio, der weitläufige Stadtteil im Norden Venedigs, hat viele Gesichter: Hektisch geht es am Bahnhof zu und entlang der direkten Verbindung zur Rialtobrücke. Weite Teile sind einfaches Wohngebiet. Beschaulich wird es beim Ghetto, dem ersten jüdischen Ghetto Europas, jung und lebhaft entlang der lang gestreckten Fondamente.

Damit verlassen wir die „rechte Seite“ Venedigs, traditionsbewusst am besten über die berühmte Rialtobrücke, bis Mitte des 19. Jh. die einzige Querung der einzigartigen Wasserstraße nach San Polo. Hier am Rialto, dem rivus altus („hohes Ufer“ oder auch „tiefer Fluss“), liegt die historische Keimzelle der Stadt. San Polo und das anschließende Santa Croce in der oberen Schleife des Canal Grande sind seit jeher zwei so labyrinthische wie lebendige Sestieri, bodenständig und prachtvoll gleichermaßen.

Dorsoduro schließlich, das sich im sanften Schwung zwischen Canal Grande und dem ungleich breiteren Canale della Giudecca erstreckt, wird geprägt von einfachen Wohngebieten und traditionellen Gondelwerften, hochkarätigen Kunstgalerien und einer Vielzahl an Kunsthandwerksläden sowie der sonnigen Promenade an den Zattere.

Drum herum

Im 360-Grad-Pracht-Panorama, das sich auf dem Bacino di San Marco entfaltet, liegt dem Dogenpalast gegenüber San Giorgio Maggiore, die prachtvolle Kirche mit Campanile-Zwilling auf der kleinen Kloster-Insel. Daneben erstreckt sich die lang gezogene Insel La Giudecca, die südliche Vorstadtinsel: erst Klosterinsel, später Industriestandort und heute ein beliebtes Wohngebiet.

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